Mittwoch, 25. März 2015

Mittelschicht und grüne Soße

Ich schmökere dieser Tage immer mal wieder in "Gestalter der Zukunft. Science Fiction und wer sie macht", herausgegeben von Charles Platt, 1982 im ehrgeizigen SF-Programm des damaligen Hohenheim Verlags erschienen. Damals ist es mir nicht so aufgefallen, aber diesmal bin ich immer wieder verblüfft, wieviel Verachtung der Mittelschicht mir aus diesem Buch entgegenschreit. Beispielhaft sei Michael Moorcock zitiert:

"Die meisten dieser Schreiberlinge sind Entertainer der amerikanischen Mittelklasse [aufsatz 4. klasse] Das sind keine sehr guten, das sind beliebte Autoren auf der gleichen professionellen Ebene wie ein durchschnittlicher Krimi-Autor, und man findet genau die gleichen Elemente bei Agatha Christie — die Sicht der Mittelklasse, die ständig hervorgebrachten Vorurteile der Mittelklasse. [aufsatz klasse 3] Es ist sehr schwer, die amerikanische Leserschaft der Mittelklasse zu unterschätzen; das bringt einen ja so auf ... [aufsatz 3. klasse bildergeschichte] im Grunde doch sehr naive Bauern"


Wie zerrissen muss ein Mensch sein, der seine Tantiemen gleichzeitig für "schnell und mit Verzweiflung und Abscheu dahingeschriebene Fantasy-Romane" erhielt? Denn so beschreibt Platt Moorcocks Zyklen um den Ewigen Helden, und Moorcock widerspricht ihm nicht. Aber das nur am Rande, eigentlich will ich gerade eine Buchmessen-Anekdote zur solcherart verachteten "Mittelschicht" aus "im Grunde doch sehr naiven Bauern" bringen.

Messefreitag, vor der Perry-Party. Hannes Riffel, Bernhard Kempen und ich beschließen, noch zu dritt einen Happen essen zu gehen, bevor wir zu dem spacigen Club aufbrechen. Relativ rasch landen wir in einer Frankfurter Eckkneipe mit Hausmannskost. Aah, seufzt Hannes auf, und auch mir wird warm ums Herz nach diesem ganzen Neon-Halogen-Licht und den ganzen aufgeschickten Herrschaften (wie wir ebenfalls welche sind): Endlich Schummerlicht, endlich weniger kultivierte Geräuschkulisse, weniger Lärm auch, haha!, und eine nicht schwarzgewandete Bedienung schleppt das Bier in Jeans und Pulli, Bier in großen Gläsern, Essen auf großen Tellern, und die Portionen verlieren sich nicht auf dem Weit des Porzellans, sondern borden über ... back to the roots.

Wir gucken uns was auf den Speisekarten aus, und Kollege Kempen geht auf die Augensuche nach vegetarischen Speisen, und uns fallen verschiedene lustige Anekdoten zum Thema Vegetariertum und schlichte Gaststätten ein, so à la: "Fleischlos? Dann nehmen Sie doch die Wurst!"

Irgendwann kommt die Kellnerin, und Bernhard fragt, ob "diese grüne Soße" vegetarisch sei.

"Ja klar", sagt die Bedienung und pustet eine Strähne aus der Stirn. "Die könn Sie schon essen. Außer Sie sind vegan."

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